Montag, 9. Juli 2012

Wie der Schmerz ins Gehirn gelangt - Teil 1

Schmerzuebertragung
Das wohl quälendste Gefühl, das ein Mensch empfinden kann ist der Schmerz. Kaum etwas macht sich derart vielfältig bemerkbar und variiert in seiner Art, Intensität, Dauer und seinem Verlauf. Ob Zahnschmerzen, Gelenkbeschwerden oder ein dröhnender Schädel - jeder Mensch hat bereits Erfahrungen mit diesem Alarmsignal des Körpers gemacht.





Schmerz hat viele Gesichter

Die Entstehung von Schmerzen und ihre unterschiedlichsten Erscheinungsformen sind von Schmerzforschern und Neurowissenschaftlern bislang nicht vollständig geklärt, da äußerst komplexe Vorgänge stattfinden - eine Vielzahl an Nerven, Gehirnarealen, Proteinen, Botenstoffen und sogar Genen sorgen durch ihr Zusammenwirken für das Gefühl, das wir als Schmerz kennen. Dabei werden immer wieder neue Wechselwirkungen und Zusammenhänge entdeckt, die den Schmerz ihren Charakter verleihen. Das Gefühl und Empfinden ist jedoch äußerst individuell. Kein Instrument kann die Intensität eines Schmerzes objektiv feststellen, das Ausmaß anzeigen oder genau lokalisieren. Manche Schmerzen treten nur für kurze Zeit auf, andere ziehen sich mehrere Tage, Wochen oder gar Monate hin. So sehr dieses Unbehagen den Betroffenen auch plagen mag, so wichtig ist dieser Schutzmechanismus jedoch für den Körper. Schmerzerfahrungen, wie die eines Kindes an einer heißen Herdplatte, sorgen für ein umsichtigeres Verhalten, während ein schmerzender Zahn ein deutlich die Richtung weist, um weitere Maßnahmen gegen den Schmerz zu ergreifen. Die Schmerzwahrnehmung wird dabei maßgeblich von vergangenen Schmerzerfahrungen, emotionalen Faktoren, dem Geschlecht, Kulturkreis und Alter beeinflusst.

Auf dem Schnellstraße ins Gehirn

Damit der Schmerz seinen Dienst verrichten kann und weiteren Schaden vom Körper abwendet, muss er schneller im Gehirn ankommen, als andere Sinnesreize. Dazu verfügen wir über besondere Schmerzsinneszellen, sogenannte Nozizeptoren, die als Sensoren für Druck, Hitze oder Kälte fungieren. Sobald beispielsweise die Haut verletzt wird, signalisieren elektrische Impulse die Gefahrensituation für den Körper. Diese bewegen sich mit einer Geschwindigkeit von 14 Metern pro Sekunde in sogenannten A-Delta-Fasern ins Gehirn. Die Schmerzsignale werden vorrangig vor allen anderen Sinnesreizen transportiert, sodass der durchdringende, stechende Erstschmerz verursacht wird, der den Körper zu einer sofortigen Reaktion veranlasst: Die Hand wird von der Hitzequelle zurückgezogen oder das Messer fallen gelassen. Etwa 70 bis 100 Millisekunden vergehen, bis wir den ersten Schmerz bewusst wahrnehmen können. Derweil passieren die Signale mehrere Stationen auf dem Weg ins Gehirn. In den Hinterhörnern des Rückenmarks liegt die erste Station. Dort wird entschieden, welche Reize relevant und dringend genug sind, um an das Hirn weitergeleitet zu werden. Ab jetzt wird die Weiterleitung durch die Projektionsneuronen übernommen. Während dieser ersten Schmerzreaktion wird eine zweite Welle an Schmerzsignalen durch die Nozizeptoren ausgesandt, diesmal jedoch nicht über die A-Delta-Fasern, sondern über die etwa zehnfach langsameren C-Fasern. Dadurch wird ein später einsetzender, dumpfer und häufig ausstrahlender Schmerz verursacht, der oft auch dann noch vorhanden ist, wenn die eigentliche Ursache schon vorüber ist. Über C-Fasern sind insbesondere Zähne und innere Organe verknüpft.

Sämtliche Schmerzreize treffen dann im Thalamus ein, welcher im Zwischenhirn befindlich ist. Von dort aus werden die Schmerzreize an verschiedene Gehirnbereiche weitergeleitet, so auch ein erstes Signal in den somatosensorischen Kortex, der im Großhirn für die Sinnesreize zuständig ist. Jeder Teil des Körpers wird hier durch einen bestimmten Gehirnbereich wie auf einer Landkarte abgebildet: Der Bereich für die Hand liegt neben dem des Arms, gefolgt von Schulter, Rücken oder Brust. Der Raum, der in dieser Hirn-Landkarte eingenommen wird ist umso größer, je empfindlicher und dichter ein Körperteil mit Sinneszellen besetzt ist.

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